Fallstricke für Seminarleiterinnen und deren Bewerkstelligung

Liebe Frau Eschbach, seit 12 Jahren sind Sie im Auftrag der Agentur mehrwert unterwegs und leiten als externe Seminarleiterin hauptsächlich Workshops für Auszubildende, bevor und nachdem diese in sozialen Einrichtungen hospitieren. Dies fordert einen stets aufs Neue heraus, da sich in den Firmen Rahmenbedingungen und Zuständigkeiten ändern und auch jeder Ausbildungsjahrgang seine Eigenheiten hat. Daher glaube ich, Sie sind genau die richtige Ansprechpartnerin für mich, der jungen Trainee! Ich lege gleich mal los mit meinen Fragen…

Was tun Sie, wenn Sie bei einem Kunden ankommen und die Stimmung in der Gruppe offensichtlich nicht gut ist?

Zunächst einmal warte ich ab, um zu sehen, ob es nur mein Eindruck ist oder ob die Stimmung tatsächlich schlecht ist. Wenn sich mein Eindruck bestätigt, frage ich mit Interesse und Empathie nach, was gerade für diese Stimmung sorgt. Früher habe ich Vieles auf mich bezogen und mit der Zeit festgestellt, dass die Gründe/Ursachen nichts mit mir zu tun haben, zumal mich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer meist nicht kennen.

Wenn ich mir die Zeit nehme, die Teilnehmer auch mit ihrer schlechten Stimmung „abzuholen“ und Verständnis für ihre Situation zu zeigen, ändert sich deren Motivation für meine Veranstaltung sehr schnell.

Wie gehen Sie mit Störungen, bspw. Lärm oder Desinteresse, souverän um?

Es kommt darauf an, um was für eine Störung es sich handelt. Bei Unruhe oder Lärm biete ich eine kurze Pause an und bitte darum, danach konzentriert mit mir zusammen zu arbeiten. Einmal habe ich die Unruhe humorvoll angesprochen und erfahren, dass sich die Ausbildungsgruppe in der Konstellation schon Monate nicht mehr gesehen hatte und sich einfach über das Wiedersehen gefreut hat und es viel zu berichten gab. Die Gruppe hatte gar nicht bemerkt, wie schwierig es für mich war, mit ihnen zu arbeiten. Sobald wir darüber geredet hatten, lief alles reibungslos.

Sollte ein Teilnehmer stören, frage ich auch da erst einmal nach, was der Grund für sein Verhalten ist. Wenn er keine Lust hat, an dem Projekt teilzunehmen, frage ich nach, ohne in die Person zu dringen. Ich stelle es ihr frei, sich auszuklinken (ich spreche mit dem Auftraggeber grundsätzlich im Vorfeld ab, ob die Auszubildenden an dem Projekt teilnehmen müssen oder nicht) oder schlage ihr vor, an der Veranstaltung teilzunehmen, gerne auch mit einem kritischen Blick, und danach zu überlegen, ob sie bei dem Projekt mitmachen möchte. Oft ist das Stören Ausdruck von Unsicherheit und Angst vor dem Projekt – mit Druck erreiche ich da nichts. Ich hatte einmal einen Azubi, der sich gleich geweigert hat, an dem Projekt teilzunehmen. Nachdem ich genau wie beschrieben verfahren war, kam er zu mir und sagte, er könne es sich nun doch vorstellen. Seine Großeltern seien erst verstorben, und er möchte nun in ein Pflegeheim gehen, um diesen Verlust besser verarbeiten zu können.

Wie motivieren Sie Teilnehmerinnen und Teilnehmer nach der Mittagspause erneut für Ihre Themen?

Grundsätzlich geht das nur, wenn ich selber motiviert bin. Und sollte tatsächlich ein 14:00-Loch entstehen, mache ich entweder eine kleine Übung oder eine kurze Pause.

Gibt es Verhaltensweisen von Seminarleitungen, die Sie selbst schon erlebt haben und von denen Sie dringend abraten möchten?

Ich glaube, dass es keinen Sinn macht, mit Druck oder Vorwürfen zu arbeiten. Ich möchte die Teilnehmenden nicht zu etwas bringen, sondern ich wünsche mir, dass sie es selber wollen, und das kann ich mit Druck nicht erreichen. Ich glaube, dass die eigene Begeisterung für meine Arbeit, Empathie, Interesse für die Gruppe, Klarheit und Humor die beste Mischung ist, um meine Teilnehmerinnen und Teilnehmer für das Projekt zu gewinnen.

Haben Sie sich in einem Workshop schon einmal über sich selbst geärgert?

Ja, ich erinnere mich an einen Workshop vor vielen Jahren, bei dem ich in meiner Wahrnehmung (!) sehr desinteressierte und unmotivierte Azubis hatte, die keinen Sinn darin sahen, dieses soziale Projekt zu machen. Ich glaube, ich war einfach nicht souverän genug im Umgang mit der Gruppe. Und je angestrengter ich versucht habe, sie zu motivieren, desto weniger hat es geklappt. Ich denke im Nachhinein, ich hätte mich viel mehr damit beschäftigen müssen, warum sie so unmotiviert waren statt immer mehr Gas zu geben.

Wann läuft ein Workshop richtig gut für Sie?

Wenn die Teilnehmenden fast vergessen, dass ich dabei bin und es zu einem regen Austausch kommt, den ich hauptsächlich moderiere und wenig steuernd eingreife. Und wenn die Azubis viele Fragen stellen und sich trauen, ihre Unsicherheit vor der Gruppe preiszugeben.

Was macht Ihnen an der Arbeit mit Azubis so richtig Spaß?

Ich glaube, dass die meisten jungen Menschen eine wunderbare Gabe haben, sich trotz anfänglicher Unsicherheit in das Projekt sehr unterstützend einzubringen. Sie sind unglaublich kreativ und schaffen es mit viel Herz, die betreuten Menschen mit ihrer erfrischenden Art anzustecken. Sie haben oft sehr pragmatische Ansätze und Lösungen, die uns Älteren gar nicht in den Sinn kommen würden. Wenn ich dann nach dem Praktikum bei der  Reflexionsveranstaltung bin und die Azubis nur noch von „wir“ und „uns“ reden und damit sich und die Einrichtung bzw. die Menschen dort vor Ort meinen, dann glaube ich, dass es einfach eine tolle Erfahrung war! Und ich freue mich jedes Mal, wenn zudem die Ausbilder erzählen, wie begeistert und stolz sie sind, wenn sie von den Einrichtungen hören, mit wie viel Engagement ihre Azubis diese Aufgabe bewältigt haben. Für die Azubis selber ist es eine tolle Erfahrung, in eine fremde Welt einzutauchen und danach festzustellen, dass sie diese Herausforderung nicht nur mit Bravour gemeistert haben, sondern sich selbst einmal auf eine ganz andere Art erleben konnten.

Karin Eschbach

karin-eschbach@t-online.de

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